21.09.2021 - In Illgau hat sich in 100 Jahren viel verändert

Der nachfolgende Zeitungsartikel erschien am 21. September 2021 im Bote der Urschweiz. Er wurde vom Illgauer Chronisten und Lokalhistoriker Konrad Bürgler verfasst.

Der Dorfkern von Illgau um 1910 - Diese Bild von Illgau ist vermutlich vor 1910 entstanden: alte Kirche mit Beinhaus (von links, Posthaus, Sigristenhaus und (ganz rechts) altes Pfarrhaus. Nur die beiden Häuser in der Bildmitte stehen noch. Bild: Staatsarchiv Schwyz

Die abgebildete Pfarrkirche «Heilige Drei Könige» entstand aus einem Vorgängerbau. Dieser wurde 1893 umgebaut, vergrössert und mit einem Turm versehen. Das Gotteshaus wurde 1958 abgebrochen und machte der heutigen Kirche Platz. Neben der Kirche erkennt man den Friedhof und das um 1600 erbaute Beinhaus. Es wurde beim Kirchenneubau 1958 (leider) abgebrochen.

Ganz rechts im Bild ist das, zum grossen Teil mit Bäumen verdeckte Pfarrhaus zu sehen. Es wurde gegen Ende des 16. Jahrhunderts gebaut, nachdem das erste «Priesterhus» einem Feuer zum Opfer gefallen war. 1859 wurde ein Schullokal angebaut. Einige Male gab es Umbauten, doch blieb es ein Haus mit einer schlechten Bausubstanz. 1985 wurde es dann abgebrochen und westlich davon ein neues Pfarrhaus gebaut.

 

Das Sigristenhaus erstes Mehrzweckgebäude in Illgau

Das 1774 erbaute Sigristenhaus hat eine fast ebenso bewegte Geschichte wie die Kirche und das Pfarrhaus - jedoch mit dem grossen Unterschied, dass es heute noch steht. Das «Tätschhus» war die Wohnung des von der Gemeindeversammlung gewählten Sakristans. Es war und ist auch das einzige Restaurant im Dorf.

Das Haus erfüllte noch weitere Funktionen: Schulunterrichtslokal, Lebensmittelladen, Poststelle, Sitzungszimmer des Gemeinderates, Theatersäli und Weiteres, was man sich unter einem Mini-Dorfzentrum vorstellen kann. Der Sigrist wiederum erhielt von der Gemeinde das Wirtepatent, sodass er mit Pfarrei, Restauration und Postbetrieb ein bescheidenes Einkommen erzielen konnte.

Das Posthaus, gleich neben der Kirche, wurde 1888 vom damaligen Sigrist gebaut. Er verlegte das Postbüro danach in dieses Haus. Als 1955 ein neuer Standort für die Postbablage erstellt war, nutzte man das Erdgeschoss für den Spezereiladen. Im ersten Stock konnte die Wohnstube als Saal für grössere Gemeindeanlässe wie beispielsweise den «Ausschiesset» und das Sennenmahl am Güdelmontag genutzt werden. Seit 1954 sind Sigristenhaus und Posthaus mit einem Zwischenbau verbunden.

 

Ein Holzscheit als Entgelt für den Schulunterricht.

Zum Schulbetrieb in Illgau: Eine erste Meldung, dass in Illgau durch den Pfarrer Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen erteilt wurde, geht auf das Jahr 1692 zurück. Es ist anzunehmen, dass sich die Schulkinder im Pfarrhaus versammelten. Dies wird 1758 bestätigt, weil der damalige Pfarrer im Pfarrhaus unterrichtete. Die Schüler hatten als Entgelt jedesmal ein Holzscheit mitzubringen.

In den Jahren 1849 bis 1859 erteilte auch der Pfarrer den Schulunterricht. Zweimal in der Woche mussten sich die Kinder im Sigristenhaus versammeln. Der Pfarrer unterrichtete die Schüler etwa eine Stunde im Lesen und Schreiben, dann sagte er: «Geht heim, das ist besser als hier zu sitzen.» So kam es, dass zu dieser Zeit die meisten Kinder nur notdürftig lesen lernten , schreiben konnte selten einer, zumal der Schulbesuch freiwillig war. Ab 1916 durften dann die schulpflichtigen Kinder in einem neuen Schulhaus ihre Bildung geniessen.

 

Illgau im September 2021                 Konrad Bürgler, Feldli, Illgau

 

Benützte Quellen:

Bild: Staatsarchiv des Kanton Schwyz

Textquellen:

Illgauer Chronik – Geschichte eines Bergdorfes 1303 – 2020 (Buch und Heft) von Konrad Bürgler, Illgau.

Unterwegs durch Jahrhunderte. Haus- und Hofgeschichten Illgau, Emil Bürgler, Illgau

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